Online-Umfrage zu Gewerbegebieten – gesteuerte Meinungsmache?

Die Solinger CDU will im ökologisch wertvollen Landstrich des Ittertals neue Gewerbegebiete schaffen. Dafür soll biologische Landwirtschaft weichen und die Landschaft aufwendig und kostspielig umgeschichtet werden. Dagegen gibt es heftigen Widerstand in der Bevölkerung. Jetzt soll eine Online-Umfrage dazu stattfinden.

Es gibt Grundsätze für gute Bürgerbeteiligung, an die sich jeder halten sollte, der tatsächlich ergebnisoffen lösungsorientierte und möglichst sachgerechte Antworten der Bürgerschaft zu wichtigen kommunalpolitischen Fragen haben möchte.

Bürgerbeteiligung der falschen Art:
Doch werden diese Grundsätze im Solinger Fall eingehalten? Stichworte wie Ausgewogenheit der Informationen, Verwertbarkeit von Fragestellungen, Vermeidung von Allgemeinplätzen, Begriffsklarheit, Dialogorientierung etc. sind in der Online-Umfrage nicht zu finden.

Die Thesen:
Stattdessen werden den BürgerInnen 10 „Ja“ oder „Nein“-Thesen vorgelegt, die sie dann ein bisschen kommentieren können. Wer will auf die Aussage „Die Stadt Solingen will auch künftig Standort für wirtschaftliche Entwicklung sein“ mit „Nein“ antworten. Was soll eine solche Abfrage? Welche Konsequenz hätte die zu erwartende 100%ige Bejahung dieser Aussage? Welchen Wert etwa hätte das auf die zentrale Frage der Gewerbegebietsausweisungen im Ittertal?
„Alle Thesen sind mit einer Begründung versehen, die ausschließlich die Verwaltungsmeinung wiederspiegelt,“ kritisiert Manfred Krause. „Ausgewogen wäre, wenn jeder Begründung der Stadtverwaltung auch eine der Umweltverbände oder bestehender Bürgerinitiativen beigefügt würde, um eine dialogorientierte Bürgerbeteiligung zu gewährleisten.“

Die Aussagen:
Ein Beispiel für die krassen Falschaussagen in den Begründungen: „Die Stadt Solingen setzt alles daran, leerstehende Gewerbeflächen einer zweckgerichteten Weiternutzung zuzuführen.“ Die fortschreitende Bebauung von vorhandenen innerstädtischen Gewerbeflächen z.B. an der Schützenstraße, auf dem Gelände von Opel Noll, dem ESAB- und dem OLBO-Gelände mit Discountern, Einzelhandel etc. spricht dagegen eine ganz andere Sprache. Leider lehnte eine Ausschussmehrheit den Antrag ab, diesen Widerspruch für die BürgerInnen darzustellen. Ebenso abgelehnt wurde die rechtzeitigere Einleitung von Bebauungsplanverfahren für den Erhalt der gewerblichen Nutzungen im innerstädtischen Bereich zu thematisieren.

Die Fakten:
Wichtige Fakten werden in den von der Verwaltung erstellten Thesen-Begründungen der Öffentlichkeit vorenthalten. So werden die BürgerInnen nicht darüber informiert, dass die im Jahr 2013 erstellte „Ökologische Bewertung des Ittertals in der Stadt Solingen“ feststellte: „Der Raumwiderstand im gesamten Freiraum des Ittertals wird aufgrund unterschiedlicher hochwertiger ökologischer Funktionen zumindest für einen Umweltaspekt als hoch oder sehr hoch bewertet.“ So werden die Bürger nicht darüber informiert, dass das von der Verwaltung geplante Gewerbegebiet Buschfeld im Landschaftsschutzgebiet liegt und zu 2/3 von Naturschutzgebiet umrandet wird. Ebenso fehlt die Information, dass nach den eigenen städtischen Berechnungen noch ca. 50 ha Reserveflächen für Gewerbe außerhalb der derzeit geplanten neuen GE-Gebiete im Ittertal zur Verfügung stehen.

Die eingestellten Thesen und Begründungen dienen einseitig dem Interesse, für Zustimmung zur Bebauung der grünen Talränder im Außenbereich zu werben.

Kritik:
Es gäbe noch viele weitere Kritikpunkte an Thesen, Begründungen und Aufmachung der gesamten Online-Beteiligung. Wo allerdings der Oberbürgermeister vollkommen versagt hat, ist in der Frage der öffentlich Wertschätzung der Befragten und der dringend geforderten Neutralität der Stadt. Vor einer Online-Befragung diejenigen als Egoisten zu beschimpfen, die möglicherweise eine differenziertere Meinung haben, ggf. sogar konträrer Meinung sind, widerspricht der Rolle eines Oberbürgermeisters aller Bürgerinnen und Bürger und ist eine schwere Bürde für den Anspruch, eine bürgernahe Kommune zu sein.

Beteiligung:
Die Solingerinnen und Solinger sollten sich von diesem krassen Gegenbeispiel einer ausgewogenen Bürgerinformation jedoch nicht davon abhalten lassen, ihren Unmut über diesen Versuch der gesteuerten Information und Beteiligung sowie über das Vorgehen der Verwaltung, das den Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung krass widerspricht, auch bei der Online-Bürgerbeteiligung deutlich zu machen.

Autor: Dietmar Gaida

Link: B. I. Rettet das Ittertal

2 Kommentare zu Online-Umfrage zu Gewerbegebieten – gesteuerte Meinungsmache?

  1. Ich halte es für unverantwortlich, eines der wenigen Naherholungsgebiete wie das Ittertal zu zerstören, welches in meinen Augen bereits heute sehr unter der Bebauung gelitten hat (z.B. die Privathäuser unterhalb der Fuhrstraße). Ein Kleinod wie z.B. die Ortschaft Schnittert würde zerstört werden, obwohl in Solingen mehr als genug Gewerbeflächen zur Verfügung stehen, aber durch Nachlässigkeit der Stadt Solingen die Flächennutzungspläne nicht geändert wurden und Discounter entstanden/entstehen, wo einst die Industrie ansässig war (Kampschulte Gelände Schützenstraße, Credo Gelände Schlagbaumer Str., ESAB Gelände Beethovenstraße, etc.). Zumal auch ausreichend Industriebrachen zu Verfügung stünden, die heute nur halbherzig alternativ genutzt werden, wie Ex-Blasberg und Ex-Hammerstein-Gelände Merscheider Busch, wie z.B. Ex Flora-Frey (Werk 1) und Ex Evertz an der Prinzenstraße, das Rasspe Gelände etc.! Auch ist unter einer Stadt wie Solingen mit seiner schlechten Verkehrsanbindung (mangels Anschluß der Viehbachtal-Autobahn) und seinen für die hiesigen Verhältnisse überproportional hohen Grund- und Gewerbesteuern kaum zu erwarten, daß die Nachfrage dem Angebot entsprechen wird! Die Vielzahl der in die Nachbarstädte umgesiedelten Firmen, aber auch der Leerstand in der Solinger City, sprechen Bände…

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