Ein Skandal! Damit würde sich die Fehlentscheidung zum Bau des Rathaus als PPP-Projekt bei den geplanten neuen Kitas wiederholen!
Elf neue Kindertageseinrichtungen mit insgesamt 43 Gruppen für Kinder unter und über drei Jahren (u3 / ü3) werden als dringend notwendig erachtet, um dem gesetzlich garantierten Bedarf an Plätzen bis 2025 gerecht zu werden und alle Kinder versorgen zu können.
Der Bau von drei Kitas wurde bereits im vergangenen Jahr beschlossen.
Für den Ausbau des Kita-Angebots durch acht weitere Kitas mit 41 Gruppen soll in der Ratssitzung am 28.04.2016 ein Beschluss (Vorlage Nr. 1572) gefasst werden.
In dieser Beschlussvorlage fällt der Begriff „Investoren-Mietmodell“. Mindestens vier von den acht neu angedachten Kitas sollen, ebenso wie die drei bereits beschlossenen, als Investoren-Mietmodell errichtet werden, möglicherweise aber auch alle elf neuen Kitas.
Jetzt muss man hellhörig werden: Sollen Finanz-Investoren sich hier in Solingen mit unseren Kindern eine hohe Rendite auf Kosten der Allgemeinheit sichern können?
Was ist der Unterschied zwischen dem PPP-Projekt (Public-Private-Partnership) und einem Investoren-Mietmodell?
Es gibt keinen.
„PPP-Projekt“ ist einfach nur der Oberbegriff für verschiedene Investorenmodelle.
„Investoren-Mietmodell“ heißt eine Variante unter diesem Oberbegriff.
Weiter gibt es noch Erwerbermodelle, Inhabermodelle, Leasingmodelle, Konzessionsmodelle, BOT-Modelle und Betreibermodelle.
In diesen Modellen ist festgelegt ob der Investor nur für den Bau zuständig ist, als Betreiber fungiert, für die Instandhaltung zuständig ist, und ob das Objekt am Ende der Laufzeit dem Investor gehört oder der Kommune. Hinter jedem Investoren-Modellnamen steht eine bestimmte Kombination dieser Faktoren.
Alle haben aber das gleiche Ziel: dem Investor eine sichere und hohe Rendite zu garantieren – auf Kosten der Allgemeinheit.
Bei allen Modellen sind die Verträge geheim.
Die Haken in den Verträgen sind die vereinbarte private Schiedsgerichtsbarkeit und die Finanzierung im Rahmen einer Forfaitierung mit Einredeverzicht (Verkauf der Mietforderung an eine Bank). Die Bank verlässt sich auf die Rückzahlungssicherheit der Kommune, welche vertraglich verpflichtet ist, Tilgung und Zins in jedem Fall zu bedienen, unabhängig von den Leistungen der privaten Investoren. Durch den Einredeverzicht sind Kürzungen wegen Minder- oder Schlechtleistungen ausgeschlossen.
Der Kredit ist handelbar – und könnte auch ganz plötzlich im Portfolio eines „Global Players“ landen.
Warum wird im Zusammenhang mit dem Bau neuer Kindertagesstätten der Begriff „Investoren-Mietmodell“ benutzt?
PPP-Projekte, bzw. ÖPP-Projekte (Öffentlich-Private-Partnerschaft) haben mittlerweile aufgrund erheblicher Mehrkosten und einiger nicht zu unterschätzenden Risiken für die Kommunen allgemein einen ziemlich lädierten Ruf.
Auch die Solinger Politik hat mehrheitlich begriffen, dass das PPP-Projekt Rathaus ein teurer Fehler war, der sich kaum mehr rückgängig machen lässt. Das heißt „zahlen bis zum bitteren Ende“. Die Baukosten betrugen 30 Millionen Euro, bis Vertragsende nach 30 Jahren Laufzeit werden wir mehr als 50 Millionen Euro an Miete gezahlt haben – und das Rathaus gehört dann immer noch nicht der Stadt.
Da klingt „Investoren-Mietmodell“ doch schon mal anders – und vielen fällt zunächst nicht auf, um was es sich dabei wirklich handelt.
Warum PPP?
Die Stadt Solingen ist hoch verschuldet. Gleichzeitig besteht ein Investitionsstau, mindestens im zweistelligen Millionenbereich.
Jede weitere Kreditaufnahme muss von der Bezirksregierung in Düsseldorf erst genehmigt werden.
Wie viele andere Kommunen auch wird die Stadt Solingen, zusätzlich zu der bereits langfristig bestehenden Unterfinanzierung, durch Unterbringungs- und Integrationskosten für die Flüchtlinge belastet.
In dieser Not klingt ein PPP-Projekt immer sehr verlockend:
Ein geplantes und notwendiges Projekt der Daseinsvorsorge kann ohne Kreditaufnahme realisiert werden. Die Investitionskosten in Millionenhöhe tauchen im Haushalsplan gar nicht auf. Stattdessen werden die Kosten plus die Renditeerwartungen des Investors auf in der Regel 30 Jahre gestreckt – nichts mehr als ein Buchhaltungstrick.
Warum kein PPP?
Allerdings ist dieser Buchhaltungstrick verbunden mit erheblichen Mehrkosten und einigen nicht zu unterschätzenden Risiken für die Kommunen.
PPP-Modelle sind niemals in einer Partnerschaft auf Augenhöhe durchzuführen: Immer sitzen die privaten Investoren am längeren Hebel.
Während die Stadt und ihre Unternehmen sozialen Grundsätzen verpflichtet sind, eine adäquate Daseinsvorsorge zu betreiben ohne dem Profitstreben unterworfen zu sein, ist das Hauptziel der privaten Investoren eine Gewinnmaximierung.
Außer den Investoren verdienen teure Beratungsfirmen.
Professor Werner Rügemer stellte bei seinen Untersuchungen fest, dass PPP-Projekte immer zu Lasten der BürgerInnen gehen: „…öffentlich-private Komplizenschaft zum Schaden der Allgemeinheit.“
Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter sieht in den Projekten eine verdeckte Staatsverschuldung. Der öffentliche Haushalt wird durch eine langfristig angelegte Schuldentilgung umgangen.
Mehr Infos:
Ratssitzung 28-04-2016 / Beschlussvorlage Nr. 1572
Öffentlich-Private Partnerschaft / Investoren-Mietmodell
ÖPP-Modelle im Bereich von Kindergärten und Kindertagesstätten in kommunaler Trägerschaft
Pingback: Kindertageseinrichtungen in Solingen als Investoren-Mietmodell mit Geheimverträgen und Gewinngarantien? | Piratenpartei Solingen
Mir scheint es , als sei die Solinger Politik, durch ihren Investitionsstau im öffentlichen Bereich, und die dadurch bedingten notwendigen Maßnahmen überfordert.
Man wird das Gefühl nicht los, dass Solingens Politiker beratungsresistent sind.
Nach der Pleite mit der MVV( Stadtwerke) und dem Rathaus Neubau durch einen Investor ( ausufernde Mieten, keine Mitsprachemöglichkeit der Politik), sollte man meinen das dieses Thema vom Tisch sei. Mitnichten. So wie der Zauberer das Karnickel aus seinem Zylinder zaubert, bringen Solingen politische Vertreter die Investoren ins Spiel.( nach mir die Sintflut scheint man hier zu denken).
Es wird Zeit ,dass man von Seiten der Bürger dieser Stadt ihren gewählten Vertretern deutlich macht, wer sie gewählt hat, und dass mit dieser Wahl ein Handeln zugunsten der Bürger und nicht von Investoren verlangt wird.