Der Löschwasservertrag

Ohne Kenntnis des Stadtrates.
Am 16. November 2000 fasste der Solinger Stadtrat gegen die Stimmen der Grünen einen Grundsatzbeschluss zum Verkauf der Sparte „Versorgung“ der Solinger Stadtwerke an die Manheimer MVV.
Am 07.12.2001 wurde – rechtsunwirksam – mit nur einer Unterschrift des damaligen Kämmerers, Ernst Schneider, seitens der Stadt Solingen und – entgegen den Vergaberichtlinien – ohne Kenntnis des Stadtrates, der sogenannte Löschwasservertrag unterzeichnet.

Solinger Löschwasser 400 mal teurer als Trinkwasser.
Der Vertrag wurde rückwirkend zum 01.01.2001 abgeschlossen. Vereinbart wurde die pauschale Zahlung von 1,1 Millionen an die Stadtwerke und deren Partner MVV für die Bereitstellung von Löschwasser bis zum Jahr 2021. Es geht also, die anfallenden Steuern eingerechnet, um einen Betrag von insgesamt 26 Millionen Euro, wovon rund 13 Millionen allein der Mannheimer MVV zufließen sollten. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Städte überhaupt nicht, oder viel weniger für die Löschwasserbereitstellung zahlen und das Solinger Löschwasser 400 mal teurer als Trinkwasser ist, geriet dieser Vertrag zunehmend in die Kritik.

Zweite Unterschrift aus der Verwaltungsspitze.
Bis Ende 2008 zahlte die Stadt jährlich die 1,1 Millionen Euro plus 200000 Euro Steuern fürs Löschwasser. Danach wurde die Zahlung, mit der Begründung, dass der Vertrag wegen der fehlenden zweiten Unterschrift rechtsunwirksam sein könnte, ausgesetzt und mit der MVV über einen neuen Vertrag verhandelt. Zuvor hatte Ernst Schneider noch vergeblich versucht sich eine zweite Unterschrift aus der Verwaltungsspitze zu besorgen. Auf der Ratssitzung am 24.09. 2009 gab die Verwaltung zum ersten mal zu, was viele schon lange vermutet hatten: „In die Kaufpreisfindung ist das Löschwasserentgelt mit eingeflossen.“

Verhandlungsführer ist erpressbar.
Dieses späte Eingeständnis bedeutet nichts anderes, als dass der Rat über den tatsächlichen Kaufpreis von 49,9 Prozent der Stadtwerke an die MVV, um mindestens 13 Millionen Euro, getäuscht wurde. Der Täuscher, Ex-Kämmerer Ernst Schneider, kam mit einer Entschuldigung ungestraft davon und führt heute gemeinsam mit dem Oberbürgermeister die neuen Vertragsverhandlungen mit der MVV, bei denen es auch um den Löschwasservertrag geht. Die MVV allerdings bestand bisher auf die Erfüllung der gesamten Forderung. In Mannheim ging man nämlich von Anfang an davon aus, dass der Löschwasservertrag Bestandteil des Kaufvertrags war. Es wäre allen Beteiligten klar gewesen, dass der Löschwasservertrag in den Kaufpreis eingeflossen sei. Inzwischen kann sich jetzt allerdings die MVV eine außergerichtliche Lösung des Löschwasserproblems vorstellen, wenn es eine Gesamtlösung über die zukünftige Zusammenarbeit mit den Solinger Stadtwerken gibt. Eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der Stadt ist kaum vorstellbar. Einer von zwei Verhandlungsführern ist erpressbar und beide müssen wahrscheinlich anderswo Zugeständnisse einräumen, um beim Löschwasser einen Erfolg rauszuholen. Die aktuell herausgegebene Formel, wonach MVV an einer Lösung mitarbeiten will, welche die Stadt entlastet ohne MVV zu belasten, lässt da wieder einiges befürchten.

Kommentar

Im Beisein des damaligen Oberbürgermeister.
Es war allen Beteiligten klar, dass die 26 Millionen für die Löschwasserbereitstellung in den Verkaufspreis der Stadtwerke eingeflossen seien, lautet der Standpunkt der MVV. Wenn das zutrifft, dann gehört der Rat der Stadt Solingen und der damalige Oberbürgermeister, Franz Haug, nicht zu den Beteiligten. Der Rat erfuhr erst Jahre später davon und Franz Haug hat erklärt, dass er „den Inhalt des Vertrags damals überhaupt nicht kannte“ und auch nicht dabei gewesen war als dieser unterschrieben wurde. Die Aussage von Franz Haug hinderte seinen Nachfolger im Oberbürgermeisteramt allerdings nicht daran in einer Stellungnahme an den Regierungspräsidenten zu behaupten, dass besagter Vertrag „im Beisein des damaligen Oberbürgermeister“ unterzeichnet wurde.

Oberbürgermeister und der Rat nicht einbezogen.
Auf die Klärung, wer die Wahrheit sagt, wurde bislang beiderseitig verzichtet. Auch die in der örtlichen Presse zitierten Aussage des gegen Ernst Schneider wegen Untreue ermittelnden Oberstaatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert, dass der Stadt kein finanzieller Schaden entstanden sei und „nach Prüfung aller Unterlagen feststehe, dass die Löschwasserpauschale von einem unabhängigen externen Gutachter ermittelt wurde und alle städtischen relevanten Stellen in die Vertragsgestaltung einbezogen wurden“, dürfte dann kaum noch haltbar sein. Offenbar waren die entscheidensten „Stellen“, der Oberbürgermeister und der Rat, nicht einbezogen.

Das Versorgungsnetz hat nur sehr wenige Schwachpunkte.
Auch gab es erhebliche Zweifel an der Aussagefähigkeit bzw. an der Interpretation des besagten Gutachten, welches lediglich den Wert des für die Löschwasserbereitstellung betriebsnotwendigen Kapitals/Vermögen berechnete und dafür einen Finanzierungskostenrahmen von rund 2 Millionen Mark pro Jahr errechnete. In der Rohrnetzanalyse eines Düsseldorfer Ingenierbüros hieß es nämlich, dass das Versorgungsnetz nur sehr wenige Schwachpunkte habe. Die Solinger Stadtwerke berichteten, dass nur bei 4 Prozent der Quadranten die geforderte Löschwasserbereitstellung über das bestehende Rohrnetz nicht erreicht wird.

Zur Daseinsfürsorge verpflichtet.
Insgesamt zeige sich ein sehr positives Ergebnis der Untersuchung, weil in 95 Prozent des Versorgungsgebietes die Bereitstellung der vom Brandschutz geförderten Löschwassermengen gegeben sei. Auch gab es in der Verwaltungsspitze gewichtige Stimmen, die darauf hinwiesen, dass eine Löschwasserversorgung auch unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung gestellt werden könnte und es nicht ratsam sei diesen Vertrag jetzt übereilt abzuschließen. Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass eine Löschwasserversorgung schon ansich lebenswichtig sei und eine Stadt zu dieser Daseinsfürsorge verpflichtet sei.

Raffiniert ausgetüfftelte Finanzprodukt.
Es drängt sich also der Verdacht auf, dass es sich bei dem Löschwasservertrag, ähnlich wie die von Schneider betriebenen Zinswetten (Verlust 1,5 Millionen Euro) und dem Cross-Border-Leasing, eigentlich um ein raffiniert ausgetüfftelte Finanzprodukt handelt, mit denen sich die Stadt „hinterrücks selbst ins Knie schießt“. Wenn der Löschwasservertrag nämlich Teil des Verkaufspreises war, dann erhöht sich auch die „Strafe“ welche Solingen bei einer vorzeitigen Auflösung des Vertrages mit MVV zahlen muss erheblich. Mit dem Löschwasservertrag hat uns der EX-Kämmer quasi an die Mannheimer MVV ausgeliefert. Aber keine Sorge er verhandelt jetzt ja wieder über einen neuen Vertrag.

4 Kommentare zu Der Löschwasservertrag

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  2. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, geschweige denn, worin das Problem bestehen soll. Die Kommune ist für eine angemessene Löschwasserversorgung zuständig. Die Kommune hat daher wohl irgendwann entschieden, das Löschwasser über das Trinkwassernetz bereitzustellen und beauftragte daher den lokalen Wasserversorger, diese für die Versorgung mit Löschwasser dimensionierte Infrastruktur herzustellen und zu betreiben. Dafür bekommt der Wasserversorger Geld von der Kommune. Mit den SWS ist das für Solingen „rechte Tasche, linke Tasche“, aber die MVV ist eben kein Teil des „Konzerns Stadt“. Deshalb bekommen die ihre anteilige Leistung jährlich ausgezahlt. Das ist so simpel, dass man sich fragen kann, warum das nicht längst schon mal jemand von der Verwaltung oder den SWS aufgeklärt hat. Wo da der Skandal sein soll erschliesst sich mir überhaupt nicht.

    • Skandalös, lieber Arno Nymus, ist doch, dass eine Pauschale gezahlt wird für eine mögliche Leistung, deren Berechnungsgrundlage unklar ist. Geht man von einer Wassermenge X aus, die durchschnittlich zum Löschen von Bränden im Solinger Stadtgebiet benötigt wird, so ist außerdem absolut nicht nachvollziehbar, wieso diese Wassermenge teurer sein soll als Trinkwasser. 400 Mal teurer! – 49,9 % des so zustande kommenden Betrags fließt ab an die MVV. Das stinkt doch zum Himmel und ist ein Skandal, weil dieses Geld für Wucherpreise von Solinger Bürgern aufgebracht werden muss.
      Last but not least entpuppt sich das, was der Löschwasservertrag der MVV einbringt, nun als Ausgleich für einen nominell niedrigeren Verkauferlös, den die 49,9 % eingebracht hätten ohne den Löschwasservertrag. Das ist gezielte Täuschung der Solinger Bürgerinnen und Bürger, zu denen ich auch zähle. Skandalös! Diejenigen, die das zu vertreten haben, haben mein Vertrauen und meinen Respekt komplett verloren.

    • Kommentar zum Beitrag vom 23.01.12

      Natürlich kann sich eine Kommune, für die Erschließung zur Löschwasserversorgung, zum Beispiel von Gewerbegebieten oder Einkaufscentern, einen Teil der Kosten wiederholen. Und solange die Stadtwerke im Besitz der Kommune sind ist das dann auch so gut wie „rechte Tasche in linke Tasche“. Die Kommune schießt sich aber selbst ins Knie, wenn die Stadtwerke privatisiert oder teilweise privatisiert werden, wie die SWS. Dann ist das eben nicht mehr „rechte Tasche in linke Tasche“.
      Hinzu kommt beim Solinger Löschwasservertrag (LV) noch, dass dieser nicht nach tatsächlichen Kosten und Verbrauch berechnet wurde. Wir beteiligen die MVV mit dem LV, in Form eines Finanzproduktes, an dem Wert, der von uns über Jahrzehnte aufgebauten und bezahlten Löschwasserversorgung. Schließlich hat Herr Schneider und die MVV ja auch bestätigt, dass es sich um ein Nachlass des Verkaufpreises der SWS an MVV handelte. Der ganze „Spass“ soll uns 13 Millionen kosten. Wer sich darüber nicht aufregen kann hat entweder Eigeninteressen oder ist völlig schmerzlos.

      Frank Knoche

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