Vorbild: PPP-Allwetterschwimmbad Friesoythe
Das Schwimmbad Vogelsang muss saniert werden. Die veranschlagten Kosten dafür sind inzwischen von € 2,8 Mio. auf € 5,3 Mio. gestiegen. Jetzt wird die Frage gestellt: soll das Bad teil- oder vollsaniert werden oder soll es gleich neu gebaut werden.
Die Solinger CDU will neu bauen
Da die Stadt Solingen gegen einen Schuldenberg zu kämpfen hat, bringt die CDU ein PPP-Projekt als passende Lösung ins Spiel. Vorbild ist das Allwetterbad in Friesoythe, erst frisch eröffnet im Oktober 2014.
In rund 16-monatiger Bauzeit ist das Bad in einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft errichtet worden – bedeutet: Das Bauunternehmen Depenbrock aus Bielefeld hat das Bad für die Stadt Friesoythe geplant, gebaut und unterhält es für die kommenden 25 Jahre.
Dafür zahlt die Stadt ab Fertigstellung eine „Miete“ an die finanzierende Bank. Dem Bauunternehmen zahlt sie noch zusätzlich einen Betriebskostenzuschuss.
Noch sind dort alle zufrieden mit dem schönen Bad. Der Investor und die kapitalgebende Bank werden auch zufrieden bleiben. Für die Stadt Friesoythe könnte es früher oder später aber anders aussehen.
Mindestens 7,5 Millionen Euro lässt sich die Stadt sich das neue Bad kosten – als Miete abzuzahlen an die Bank, die den Kredit für den Bau bereit gestellt hat.
Damit konnte Friesoythe den Haushalt kurzfristig um die Baukosten entlasten, legt langfristig möglicherweise aber viel Geld drauf.
Denn der Vertrag wurde als „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ für 25 Jahre abgeschlossen.
Was bedeutet „Forfaitierung mit Einredeverzicht“?
Mit der Unterschrift des Oberbürgermeisters geht der Investor mit dem „Mietvertrag“ zu seiner Bank und verkauft ihr die Mietforderungen. Die Bank schätzt den Gesamtwert der Mieten für die gesamte Laufzeit, in der Regel für 25 Jahre. Die Bank zahlt dann an den Investor den Gesamtbetrag sofort aus, bzw. verrechnet die Summe mit dem Kredit und mit gewissen Abzügen. Das ist die „Forfaitierung“ (von französisch forfait = Pauschale).
Die Bank erhält also nach Vertragsabschluß die Mietzahlungen bzw. Betreibergebühren von der Stadt. Es wird behauptet, dass bei dieser Form von Finanzierung die Kreditzinsen kaum höher sind als bei Kommunalkrediten. Im Einzelfall sollte das besonders wegen der üblichen langen Laufzeiten immer überprüft werden.
Die Banken verlassen sich auf die Rückzahlungssicherheit der Kommunen. Die müssen sich verpflichten, Tilgung und Zins in jedem Fall zu bedienen, ganz unabhängig von den Leistungen der privaten Investoren.
Der Vorteil, die Baukosten nicht auf einen Schlag erbringen zu müssen, bringt erfahrungsgemäß auf lange Sicht erhebliche Nachteile mit sich:
Forfaitierung mit Einredeverzicht = kreditähnliches Rechtsgeschäft = Verschuldung
Bei dieser Art PPP-Geschäft handelt sich um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft, dass einer direkten Kreditaufnahme im Effekt völlig gleichkommt: Zins und Tilgung müssen bezahlt werden, auch wenn sie im städtischen Haushalt nun unter „Betriebsausgaben“ laufen und damit faktisch einen Schattenhaushalt darstellen.
Die Kreditaufnahme per Forfaitierung mit Einredeverzicht hat deutliche Nachteile: Spätere Umschuldungen sind nicht möglich, ebenso wenig wie eine Veräußerung des Objektes infolge einer anfangs nicht eingeplanten Nutzungsänderung während der Laufzeit. Der Kommune bleibt damit kein Gestaltungsspielraum bezüglich dieser „Schulden“.
Häufig wird als Argument vorgebracht, nur der Investitionsteil werde per Forfaitierung refinanziert. Das Problem wäre damit aber nicht grundsätzlich gelöst, sondern lediglich im Volumen verkleinert. Hier wäre zumindest ein großes Misstrauen angebracht. Es gibt Beispiele, von denen bereits bekannt ist, dass Kürzungen für Minder- oder Schlechtleistungen auch im laufenden Betrieb durch Einredeverzicht auschlossen oder mit einem komplexen Rechtsweg enorm erschwert werden.
Durch die übliche Geheimhaltung der Verträge kann viel versprochen werden, was nicht überprüft werden kann. Es muss in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass die Gefahr der faktischen Vermischung der Zahlungskonditionen aus dem investiven Teil und der Betriebsphase sehr groß ist. Ein Hinweis darauf ist, dass ganz selbstverständlich bei PPP-Projekten die Höhe der jährlichen Rate stets zusammen für investiven Teil und der Betriebsphase zusammen genannt wird.
Der Kredit wird handelbar
Ein weiteres Risiko bei der Forfaitierung besteht in der Weiterverkäuflichkeit des Kredits. Nicht selten geschieht dies bereits zum ersten Mal unmittelbar nach Vertragsabschluss. Dass es unangenehme Folgen für den Schuldner haben kann, wenn er sich statt der Bank seines Vertrauens (und der Region) plötzlich im Portfolio eines Global Player wiederfindet, hat die Finanzkrise zuletzt deutlich veranschaulicht. Es ist fraglich, ob diese Weiterverkäuflichkeit vertraglich effektiv unterbunden werden kann. Wenn sich das überhaupt durchsetzen lässt, dann sicher nur gegen einen Aufschlag auf den Zins – womit der einzige Vorteil, mit dem „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ begründet werden, deutlich schrumpfen würde.
„Forfaitierung“ kann dazu führen, dass aus einem PPP-Projekt ein Finanzmarktprodukt wird
Wenn die Bank die Forderungen aus der Forfaitierung nicht in der eigenen Bilanz halten will, kann sie diese als handelbare Forderung auf den Finanzmärkten platzieren. Stichworte: Verbriefung, Asset Backed Securities. ABS haben eine sehr unrühmliche Rolle in der Finanzmarktkrise 2008 gespielt. Schulen, Krankenhäuser, Altenheime, Schwimmbäder – die gesamte öffentliche Infrastruktur sollte nicht Bestandteil einer Finanzmarktblase werden können. Mit der Forfaitierung ist aber genau das möglich.
Die Risiken der Forfaitierung müssten in den Zins einkalkuliert werden
Die genannten Risiken Weiterverkäuflichkeit, eingeschränkte Umschuldungsfähigkeit, fehlende Möglichkeit der Veräußerung bei beabsichtigter Nutzungsänderung stellen für sich Risiken dar, die auch als Geldwert kalkuliert werden und mit dem Zinsvorteil verrechnet werden müssten, damit das Risiko für die Kommunen gemindert wird. In PSC-Ermittlungen und Wirtschaftlichkeitsvergleichen fallen sie aber regelmäßig unter den Tisch. Die Landesrechnungshöfe haben schon mehrfach diese Fehler bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung solcher PPP-Projekte kritisiert.
Einredeverzicht : Zahlungskürzungen sind nicht möglich
Die Kommune verzichtet auf das Recht der Einrede, also nimmt sich das bei einem konventionellen Bauvorhaben übliche Mittel, bei Schlechtleistung die Zahlungen zu kürzen oder zu verweigern, oder über die Androhung einer solchen Maßnahme Einfluß zu nehmen auf die Qualität der Baumaßnahme.
Betriebskostenzuschuss
Außer den „Mietzahlungen“ an die Bank muss die Kommune auch an den Investor als Betreiber regelmäßig einen Betriebskostenzuschuss zahlen. Die Konditionen dazu werden in einem geheimen Vertrag festgelegt. Mögliche Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit werden zwar einkalkuliert – übersteigen auf längere Sicht jedoch immer wieder fast die schlimmsten Befürchtungen, wie Erfahrungen mit anderen PPP-Projekten bestätigen. Auch ist damit zu rechnen, dass der Investor nachträglich einen Erlass der Grundsteuer fordert.
Unterliegt auch der Betriebskostenzuschuss dem Einredeverzicht, dann sieht es schlecht aus für die Kommune..
Die Kosten steigen und steigen!
Zurück zum PPP-Vorzeigeprojekt der Solinger CDU, das Allwetterschwimmbad Friesoythe:
Es wurde erst vor wenigen Monaten eröffnet. Erst einmal scheint eine wunderbare Finanzierungslösung für das Schwimmbad gefunden zu sein. Aber Baumängel zeigen sich erfahrungsgemäß selten sofort, und der Betriebskostenzuschuss steigt auch nicht gleich im ersten Jahr.
Der Solinger CDU empfehle ich dringend, sich mit den Erfahrungen aus anderen PPP-Projekten zu beschäftigen – und noch einmal über unser PPP-Rathaus nachzudenken.
Selbst einem Laien fällt doch ins Auge, dass das ein schlechtes Geschäft war. Und aus diesem miesen Geschäft wird die Stadt Solingen warscheinlich nicht mehr heraus kommen, denn wer wird schon ein so sicheres und einen hohen Gewinn bringendes Anlageobjekt aufgeben…
Die Stadt Solingen kann es sich wirklich nicht leisten, privaten Investoren zu überhöhten Renditen zu verhelfen!
Wenn investiert werden muss, dann unbedingt in die Erhaltung und Förderung der kommunalen Daseinsvorsorge, und nicht in die Taschen irgendwelcher Investoren.
Sollte sich die Solinger Politik tatsächlich für einen Schwimmbad-Neubau entscheiden, muss sie unter allen Umständen eine vollständige Wirtschaftlichkeitsberechnung durchführen.
Im Ergebnis wird diese mit Sicherheit zu der Einsicht führen, dass ein Kommunalkredit für den Bau eines Schwimmbades in der Regel günstiger und frei von all den Risiken ist, die ein PPP-Projekt mit sich bringt.
(Quelle: Attac/PPP-Irrweg)
Links:
Ich bin nicht mehr ins Vogelsang gekommen, weil mir das Wasser dort zu kalt war. Ich kann aber nicht nachvollziehen warum das Bad abgerissen werden soll und durch ein viel zu teures ersetzt werden soll, obwohl die Stadt angeblich kein Geld hat. Im Vogelsang ist alles nicht mehr ganz modern, aber alles in Ordnung und auch sauber.
Ich denke, dass in Solingen erst mal andere Sachen zu ersetzen sind.
Ich würde auch in die Klingenhalle gehen, aber nachdem auf dem Platz Gebühren bezahlt werden müssen, werde ich das nicht tun und fahre nach Burscheid.