Solingen nimmt als „Global Nachhaltige Kommune in NRW“ als eine von 15 Gemeinden am UN-Programm für die kommunale Umsetzung der Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ teil. Dazu stehen die aktuellen Kürzungspläne bei den Solinger Bussen jedoch in völligem Widerspruch. Trotz massiver Proteste der Bevölkerung, von Vereinen und allen betroffenen Beiräten des Stadtrates will die Stadtspitze das Busangebot weiter stark einschränken.
Zum Haushalt 2017 der Stadt Solingen wurde am 8.12.2016 ein fataler Beschluss gefasst:
„Der Verlust im Verkehrsbereich der SWS GmbH wird mit dem ab dem 01.10.2017 gültigen Wirtschaftsplan auf maximal 9 Mio. Euro begrenzt.“
Bei keiner anderen Aufgabe der Stadtverwaltung wird der jährliche Zuschuss dauerhaft um den unglaublich hohen Betrag von ca. € 700.000 gekürzt – und das ohne Inflationsanpassung.
Der Kleinbus KB 688, der viele abgeschnittene Gebiete im Bereich Wald/Gräfrath bediente, wurde bereits zum 1. Januar 2017 ersatzlos eingestellt.
Doch die am 3. März 2017 von der Verwaltung und den SWS-Verkehrsbetrieben verfasste Vorlage 2478 schlägt zusätzlich erneut alle Kürzungen aus der Vorlage 1958 vom September 2016 vor:
Neben Kürzungen bei den O-Buslinien 683 und 684 soll auch der Abendverkehr in Wohngebieten jenseits der Hauptlinien massiv eingeschränkt werden.
Der Fahrgastbeirat:
Der seit 2010 als Interessenvertretung der Busfahrgäste vom Rat eingerichtete ÖPNV-Fahrgastbeirat, dem VertreterInnen der Abo-KundInnen, Fahrgast- und Umweltverbände, Beiratsmitglieder und die Ratsfraktionen angehören, hatte zwar den Sommerschulferienplan und kleinere Kürzungen mitgetragen.
Er appellierte aber schon am 1.September 2016 einstimmig „keine weiteren Kürzungen beim Busangebot durchzuführen“. „Die Fahrgäste des öffentlichen Personennahverkehrs haben ein Recht darauf, nicht weiter verunsichert zu werden durch ständig wiederkehrende Kürzungsdiskussionen.“
Am 28.11.2016 wiederholte der Fahrgastbeirat noch einmal die Forderung, vor jeglicher Änderung des Nahverkehrsplans die betroffenen Bezirksvertretungen zu befassen und in den betroffenen Stadtbezirken eine Bürgerbeteiligung durchzuführen.
Rechentricks:
Mit der Einführung des Sommerschulferienplans in 2016 wurden schon 70.000 Bus-km/Jahr weniger gefahren. Bei der von der Stadt selbst angewandten Berechnungsmethode (pro km = € 2,06) würde das € 144.000 Einsparungen pro Jahr ausmachen. Die Stadt will hier aber nur eine Einsparung von € 76.000 pro Jahr erkennen. Da der Sommerschulferienplan „bereits im Wirtschaftsplan für 2017 enthalten“ ist, soll diese Kürzung gar nicht mehr als aktuelle Einsparung gewertet werden.
Durch die Einschränkung des Geltungsbereiches der Kurzstrecke werden Mehreinnahmen zwischen € 80.000 /Jahr (Ersteinschätzung Verkehrsbetrieb SWS) und € 180.000 /Jahr (Fahrgastbeirat) erzielt. Der Verkehrsbetrieb erklärt jetzt, man könne diese Mehreinnahmen gar nicht berechnen, die Maßnahme sei „einnahmeneutral“.
Nach dieser Darstellung müssen mindestens € 150.000 bis € 250.000 an anderer Stelle eingespart werden, um den Zuschuss auf die beschlossenen € 9 Mio. /Jahr herunter zu kürzen.
Der Ratsbeschluss:
Im Ratsbeschluss vom 8.12.2016 steht weiter, der SWS-Geschäftsführer soll „darstellen wie die Einsparung in Höhe von mindestens € 300.000,- durch weitere Optimierung im Betriebsablauf des Verkehrsbereichs der SWS GmbH ab 2017/2018 erreicht werden kann“. Wenn dies nicht gelingt, „wird bis zum 31.03.2017 im Beteiligungsausschuss nach Vorberatung des ASUKM entschieden, ob zur Erreichung der Verlustobergrenze weitere Einsparungen im Nahverkehrsplan nötig sind.“
Die Solinger Stadtverwaltung:
Ohne die Ergebnisse dieser (internen) „Optimierung im Betriebsablauf“ abzuwarten, schlug die Verwaltung bereits am 31.1.2017 dem Stadtentwicklungsausschuss in der Vorlage 2371 vor, „weitere Einsparvorschläge zu unterbreiten“. Grundlage „bildet die Vorlage 1958.“
Diese Vorlage vom 29.8.2016 sieht u.a. vor:
- Starke Reduzierung der Nachtfahrten sonntags bis donnerstags. U.a. die Siedlungsbereiche Meigen, Ketzberg/Abteiweg, Klinikum, Fuhr und Kannenhof würden dann nach ca. 22.30 Uhr gar nicht mehr bedient. Der letzte Bus von Ohligs nach Aufderhöhe ginge ebenfalls gegen 22.30 Uhr.
- Die bereits zum 31.12.2016 erfolgte Streichung des Kleinbusses KB 688, der seit 2014 für eine bessere Anbindung der bisher völlig abgeschnittenen Wohngebiete Fürkeltrath, Eipaß, Nümmen, Lochbachtal sowie des Gewerbegebietes Dycker Feld sorgte. Nur in Teilbereichen sollen Ersatzangebote kommen, obwohl der im Mai 2013 vom Rat beschlossene Nahverkehrsplan den Betrieb des Kleinbusses als Pilotprojekt vor vorsieht. Nach zwei Jahren sollte eine „Evaluierung beider Produkte TaxiBus und Kleinbus. Wahl des bevorzugten Produktes für das gesamte Stadtgebiet zur Umsetzung weiterer Gebiete“ erfolgen. Der gültige Nahverkehrsplan sieht also ausdrücklich die weitere Anbindung vor.
- Taktverschlechterungen bei der 683 zwischen Krahenhöhe und Burg auf maximalen 30min-Takt.
- Taktverschlechterungen bei der Linie 684 auf durchgängigen 15min-Takt, obwohl hier die letzte Kürzung bereits deutliche Fahrgastverluste bewirkte.
Es darf nicht dazu kommen, dass der Busfahrplan und der Nahverkehrsplan weiter verschlechtert werden. Das ist die Solinger Kommunalpolitik allen ihren BürgerInnen und besonders ihren SchichtarbeiterInnen, Jugendlichen und in der Mobilität eingeschränkten BewohnerInnen schuldig. Dafür ist weiteres Bürgerengagement und weiterer Bürgerprotest notwendig.
Die Bürgerinitiative „Solingen gehört uns!“ kämpft mit vielen Mitgliedern des ÖPNV-Fahrgastbeirates und vielen weiteren engagierten SolingerInnen für die Erhaltung und Schaffung eines zukunftsfähigen Bus-Angebotes und freut sich über weitere MitstreiterInnen.
Global nachhaltige Kommune?
Solingen nimmt als „Global Nachhaltige Kommune in NRW“ als eine von 15 Gemeinden am UN-Programm für die kommunale Umsetzung der Ziele der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ teil.
Eines der Ziele dieses Programms lautet:
„Bis 2030 den Zugang zu sicheren, bezahlbaren, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle ermöglichen und die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern, insbesondere durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit besonderem Augenmerk auf die Bedürfnisse von Menschen in prekären Situationen, Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen.“
Gegen die aktuellen Kürzungspläne der Stadtverwaltung gibt es massiven Widerstand:
● 2.580 Menschen, darunter 2170 SolingerInnen unterzeichneten innerhalb von nur zwei Monaten die Petition „Wir brauchen einen guten ÖPNV: Gegen die geplante massive Verschlechterung des Bus-Angebots!“ Niklas Nink begründete als Vertreter der Bürgerinitiative „Solingen gehört uns!“, des Jugendstadtrates und vieler Mitglieder des Fahrgastbeirats am 6.2. im Stadtentwicklungsausschuss die Petition und sagte dabei u.a.: „Junge Menschen bleiben nicht in einer Stadt, in der man abends nicht mehr den Bus nutzen kann.“
● Alle betroffenen Gremien, die zur Beteiligung der BürgerInnen an der Kommunalpolitik eingerichtet wurden, protestierten: ÖPNV-Fahrgastbeirat, Zuwanderer- und Integrationsrat, Beirat für Menschen mit Behinderung, Seniorenbeirat, Jugendstadtrat, Frauenforum und Stadtjugendring.
● Eine Vereins-Resolution gegen die geplanten Fahrplan-Kürzungen wurde u.a. unterstützt von Attac, Bezirksschüler*innenvertretung, Bürgerinitiative „Solingen gehört uns!“, BUND, NABU, NaturFreunde Solingen-Wald/Ohligs und Theegarten, RBN, Solinger Appell, tacheles, VCD, ver.di – Bezirk Rhein Wupper und Vertrauensleute des Verkehrsbetriebes SWS und Zukunfts-Welten e.V.
Wahlprüfsteine:
Oberbürgermeister Tim Kurzbach und seine Partei, die SPD (wie auch Grüne, FDP, BfS, Linke, SG Aktiv und FBU) erklärten vor der Kommunalwahl 2014 und vor der OB-Wahl 2015 schriftlich und öffentlich, jegliche Fahrplankürzungen abzulehnen.
Wahlprüfsteine zur Kommunalwahl 2014:
Für die Wahlprüfsteine zur Kommunalwahl 2014 erklärte die Solinger SPD zu der Frage: „Werden Sie Kürzungen im Solinger Busverkehr vornehmen?“ folgendes:
„Die Antwort hat die Solinger SPD bereits mit ihrem Verhalten in den allerletzten Monaten gegeben: Wir haben nicht zugelassen, dass im Busverkehr gekürzt wird – im Gegenteil: Mit viel Kreativität und auch unter Nutzung neuer Wege ist die Qualität des Angebots für Solingen mit dem jetzt gültigen Nahverkehrsplan nochmals gesteigert worden. Mit neuen Buslinien, die sogar in kleinteilige Siedlungsgebiete oder direkt zu wichtigen Arbeitsplätzen führen. Diesen Weg wollen wir weitergehen – natürlich auch mit dem ÖPNV-Fahrgastbeirat, der an der Ausarbeitung des Nahverkehrsplans einen großen Anteil hat.“
Wahlprüfsteine zur Oberbürgermeisterwahl 2015:
Der heutige Oberbürgermeister Tim Kurzbach erklärte für die Wahlprüfsteine zur Oberbürgermeisterwahl am 13. September 2015 auf die Frage „Werden Sie als Oberbürgermeister in Ihrer Amtszeit 2015 – 2020 weitere Kürzungen beim Solinger Busverkehr unterstützen?“ folgendes: „Ich stehe hinter dem deutlich attraktiveren neuen Nahverkehrsplan, der bei den Solingerinnen und Solingern offenbar gut angekommen ist. SPD und Grüne unterstützen den SWS-Verkehrsbetrieb massiv darin, diesen Standard mit modernem Marketing und einer effizienten Unternehmensführung zu untermauern. Für weitere Kürzungen sehe ich keinen Anlass. Bei wirklich innovativen Ideen sollten vernünftige Umschichtungen innerhalb des Nahverkehrsplans aber immer möglich sein.“
Viele SolingerInnen hoffen darauf, dass diese Versprechen letztendlich doch noch eingehalten werden.
Die für die Kürzungen Verantwortlichen sind, so meine Vermutung, selbst keine Nutzer des ÖPNV. Anders lässt es sich doch nicht erklären, dass solche Kürzungen überhaupt in Erwägung gezogen werden. Ich wette, dass von den Menschen, die in Solingen mit Bussen und Bahnen ihre Arbeitsplätze erreichen, niemand solch unsinnigen Entscheidungen zustimmen würden. Niemand mit klarem Verstand sägt den Ast, auf dem er sitzt.
Da ich regelmäßig mit dem ÖPNV in NRW unterwegs bin, Frage ich mich, wieso an normalen Wochentagen nicht kleinere Fahrzeuge die wenigen Fahrgäste transportieren. Stattdessen sitze ich bspw. An einem Mittwoch Abend um 0:06 vom GWP im NE25 als einziger Fahrgast. Das ist keineswegs ein Einzelfall, sondern Normalität. Die Fahrer kennen mich, wissen meine Ausstiegs-Haltestelle, man unterhält und verabschiedet sich. Welchen Bus soll ich zukünftig nehmen?
Für mich interessant ist, wer letztlich die Kürzungen tatsächlich will.
Diesen Personen würde ich gern mal die ein oder andere Frage stellen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Ihre Aktivitäten gegen die Kürzungen des Busfahrplanes. Ich selbst bin von Veränderungen des Fahrplanes des ÖPNV innerhalb Solingens betroffen. Ich frage mich ernsthaft auf welcher Basis die Veränderung des Fahrplanes von statten geht. Nach meinem ermessen läuft dies unter anderem nicht auf Basis der Berufstätigen, so dass dies eine Verschlechterung in den Morgen- (04:30 bis 07:00 Uhr) und Nachtstunden (23:00 bis 02:00 Uhr) bedeutet. Morgens ist es schon unmöglich in die Nachbarstadt (z.B.: Wuppertal / Remscheid / Düsseldorf) pünktlich auf Arbeit (bei einem Arbeitsbeginn von 06:00 Uhr) zu kommen. Ich selbst benötige 25 Minuten (inkl. Fussweg / reine Fahrzeit 10 Minuten) zur Arbeit und würde es zwischen Solingen Grünwald und Industriegebiet pünktlich schaffen. Leider ist es aber in den Nachtstunden keine akzeptable Verbindung möglich. Ich habe 23:15 Uhr Feierabend, die Linie 686 fährt letztmalig 23:16 Uhr, somit für mich nicht nutzbar!!!! Der nächste Bus fährt erst 00:16 Uhr mit einem Aufenthalt von 38 Minuten auf dem Graf Wilhelm Platz (reine Fahrzeit 52 Minuten ohne Fusswege ) !!! Kollegen nach Wuppertal sind in den Nachtstunden noch länger unterwegs. Dies ist so nicht hinnehmbar. Sollte die Stadtverwaltung weiterhin die Fahrpläne des ÖPNV negativ beeinflussen, sollte man die Stadtverwaltung schließen und die betreffenden Personen entlassen!!
Ich würde es begrüßen, dass vor Veränderungen des Fahrplanes Umfragen stattfinden würden und sich nicht auf Fahrgastzahlen bezieht.
Sehr geehrter Herr Kreher,
vielen Dank für Ihren so ausführlichen Kommentar, der das Desaster nicht durchdachter Kürzungen im Busangebot für die Berufstätigen Schichtarbeiter/innen und Pendler/innen sehr deutlich aufzeigt.
Gerne möchte ich Sie auffordern, diesen Kommentar auch als Leserbrief an das Solinger Tageblatt und die Solinger Morgenpost zu schicken.
Wenn Sie erlauben, werde ich bei Gelegenheit auch die Stadtspitze und den Rat auf Ihren Kommentar aufmerksam machen.
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Correns