„Public-Private-Partnership“ galt vor mehr als einem Jahrzent noch als wares Zauberwort. Doch längst wurden und werden PPP-Projekte immer öfter als Kostenfallen entzaubert – so auch in Solingen.
Nach dem Rückkauf der 49,9 % SWS-Anteile von der MVV Energie AG im Herbst 2012 offenbaren sich weitere kostspielige Folgen aus der „Öffentlich-Privaten-Partnerschaft“:
Die Tochtergesellschaft der SWS, die MVV/EDL GmbH (Energiedienstleistungen), investierte 2009 in Erndtebrück im Rothaargebirge in Heizungsanlagen. Das Geschäft eingefädelt hat die MVV Energie AG, die auch weitgehend die operative Steuerung übernahm.
Der Eigentümer der Häuser, die Kölner Immomerkurfinanz GmbH, hat bereits seit August 2010 kein Geld mehr für die Heizungen bezahlt. „Wir müssen von kriminellen Machenschaften ausgehen“, so SWS-Sprecherin Kerstin Griese.
Mit dem Rückkauf der Stadtwerke-Anteile von der MVV AG hat die Stadt Solingen im Herbst 2012 sämtliche Verpflichtungen an der inzwischen in die EDL Solingen GmbH umfirmierte MVV/EDL GmbH übernommen.
Somit müssen die Stadtwerke Solingen jetzt als Eigentümer der EDL Solingen GmbH einen Fehlbetrag von € 250.000 abschreiben.
Doch die MVV/EDL war noch in mehreren anderen Städten aktiv. Könnten dort weitere Verluste für die SWS anfallen?
Die MVV AG scheint sich jedenfalls vertraglich aller möglichen Forderungen entledigt zu haben.
Die B. I. „Solingen gehört uns!“ hat zwar mittlerweile fast alle Unterlagen zum Verkauf der SWS-Anteile von 2001 auf Antrag nach dem IFG-NRW offengelegt bekommen. Doch ohne die Offenlegung des Rückkaufvertrags ist die Rechtslage kaum bewertbar. Eine von der Bürgerinitiative „Solingen gehört uns!°“geforderte Nichtigkeitsklausel für mögliche rechtswidrige Forderungen von seiten der MVV AG wird dieser aber mit Sicherheit nicht enthalten.
Deshalb taucht erneut die Frage auf , in wieweit sich die SWS von der MVV Energie AG über den Tisch ziehen lassen haben. Und es bestätigt noch einmal mehr: die „Partnerschaft“ mit der MVV Energie AG war nachweislich kein guter Deal.
Es muss endlich einmal flächendeckend realisiert werden, dass Energiekonzerne, die sich in kommunale Stadtwerke einkaufen, dabei vollkommen renditeorientiert vorgehen. Die Risiken übertragen sie erfahrungsgemäß in geschickt formulierten Verträgen an die betroffenen Kommunen.
Die Investoren punkten ganz einfach durch den Einsatz spitzfindiger Juristen und Berater und haben deshalb das bessere Know-How, um ihre Interessen durchzusetzen.
Das „neue“ Rathaus ist ein anderes Beispiel dafür, wie „Private“ es schaffen, unsere Stadt auszuplündern: für € 25 Mio. wurde es im Jahr 2008 von einem Investor gebaut, für € 30 Mio. im gleichen Jahr an eine Bank (???) weiter verkauft. Die Stadt Solingen hat sich ihrerseits auf 30 Jahre verpflichtet, insgesamt mehr als € 50 Mio. an Miete für das neue Rathaus zu zahlen. Solche Geschäfte nennt man „Public-Private- Partnership“ (PPP).
Mit diesem „Trick“ sollte der Stadt für ein Jahr ein ausgeglichener Haushalt trotz des Neubaus ermöglicht werden – in Wirklichkeit aber wird der städtische Haushalt dauerhaft für 30 Jahre durch die überdurchschnittlich hohe Miete belastet. Und nach Ablauf des Vertrages gehört das Rathaus immer noch nicht der Stadt Solingen. Für die bis dahin gezahlte Miete hätte man gleich zwei Rathäuser bauen können!
Die Solinger Politik muss endlich grundsätzlich und geschlossen von der Vorstellung abrücken, dass Private ihnen die Verantwortung abnehmen und es besser machen.
Politik und eine neutrale Verwaltung sollten die ihnen auferlegte Verantwortung ernst nehmen und ihre Aufgaben selbst in die Hand nehmen, anstatt sich über teure Beratungsfirmen langfristig an profitorientierte Investoren zu binden.
Ob beim Wasser, der Energieversorgung, Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen, Autobahnen und größeren Bauvorhaben (Elbphilharmonie, Stuttgart 21, Flughafen Berlin BER etc.) – die Privaten machen immer ihren Gewinn; auf Kosten der Bürger!
Deshalb muss endlich Schluss sein mit der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge!
Lieber Klaus Hahnenfeld,
sind Sie möglicherweise Dozent an der FH Mainz im Fach „Öffentliches Infrastrukturmanagement / PPP“? In diesem Fall hoffe ich, dass Sie Ihre Dienste nicht der Verwaltung unserer Stadt anbieten werden.
Nicht nur in Solingen – in vielen Städten hierzulande wurden schlechte und teure Erfahrungen mit PPP-Projekten gemacht, wie Ihnen sicher bekannt ist. „Sachkundige“ und teure Beratungsfirmen waren überall mit dabei. Warscheinlich haben allen diesen Kommunen einfach nur Ihre fachkundigen Vorlesungen gefehlt.
Mit freundlichen Grüßen
Bico
Lieber Bico,
ja, da haben Sie wohl recht: der Vertrag ist wahrscheinlich miserabel ausgehandelt worden.
Daraus aber zu folgern, dass PPP grundsätzlich schlecht ist, ist schlichtweg Blödsinn.
Ein PPP-Projekt muss man auf der Verwaltungsseite durchrechnen, herausfinden, ob und weshalb es sich für die Kommune rechnet, und nur wenn es sich nach eigener Wirtschaftlichkeitsuntersuchung als vorteilhaft erweist, darf man es abschließen. Wenn man nicht den nötigen Sachverstand für solche Verträge hat und wenn man sich diesen Sachverstand nicht einkaufen will, kann ein PPP-Projekt nicht erfolgreich sein.
Sachverstand kann man übrigens erwerben: an der FH Mainz gibt es einen Masterstudiengang „Öffentliches Infrastrukrurmanagement / PPP“, dort können Mitarbeiter aus Verwaltung und Industrie berufsbegleitend lernen, wann und wie man PPP angehen sollte und wann man besser die Finger davon lässt.
Also: nicht einfach losplappern, wenn man etwas nicht verstanden hat.
Gruß
Klaus Hahnenfeld